Dienstag, 10. März 2015

10.03.2015: "Eigentlicht"

Sie sitzt am Laptop. Liedtexte aus dem Internet suchen und sehbehindertengerecht formatieren. Zwischendrin mal aufstehen und eine neue Tablette einwerfen. Sie hebt den Ärmel ihrer Jacke zum Gesicht. Der Geruch hüllt sie ein, sie schließt die Augen. Es ist nicht ihre Jacke. Am Morgen lag sie im Wohnzimmer der WG auf einem Stuhl und sie hat sie angezogen, einfach so.

Der Geruch ist nicht fremd. Nicht besonders gut oder anziehend. Einfach nur anders. Beruhigend, eine Ablenkung.
Eigentlich sollte sie nicht so dasitzen. Mit der Jacke eines anderen. Seinen Duft einatmen und dabei die Augen schließen.
Eigentlich sollte sie nicht ständig an ihn denken müssen. Schon allein, weil er nicht mal im geringsten ihr Typ ist. Und dazu auch noch einige Jahre älter. Eigentlich.
Doch sie tut es. Aus dem einfachen Grund, weil er da ist. Er ist da, hört ihr zu und bringt sie zum lachen. Lenkt sie ab.

Er lässt sie nicht allein mit ihren Problemen und Sorgen. Ist immer zur Stelle. Streichelt ihren Rücken  und spielt so lange mit ihren Haaren bis sie schläft. Eben nicht so wie er, von dem sie das alles eigentlich sich wünscht. Er, der schon viel zu lange viel zu weit weg ist und zu dem ihr Herz gehört. Unerwidert und ignoriert.

Er, dessen Jacke sie eigentlich tragen sollte. Dessen Duft sie eigentlich mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen gierig einsaugen sollte. Er, der für sie da sein sollte. Er, an den sie eigentlich voller Freunde denken sollte und nicht voller Angst vor dem was kommt. Er, der eigentlich der richtige für sie ist. Eigentlich.